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Amazon-Rezensenten und der Kritikerwahn

 


Das ist nur ein Versuch den verschiedenen Charakteren der Rezensenten näher zu kommen, man kann sie natürlich nicht alle in einen Topf werfen, solche Verallgemeinerungen dürfen nur Astrologen ungestraft vornehmen. Falls Sie zufälligerweise ein Amazon-Rezensent sein sollten, sind Sie auf keinen Fall gemeint.


Der pflichtbewusste Kunde hält die automatisch generierte Mail von Amazon mit der Einladung eine Rezension zu schreiben für eine persönliche Aufforderung. Er ist davon überzeugt, irgendwo sitzt jemand in einem stillen Kämmerlein (sprich: in einem Büro bei Amazon) und bittet ihn nun um eine Antwort. Und das hat nichts mit Marketing und erst recht nichts mit kostenloser Werbung zu tun, sondern hier geht es ganz allein um die Zufriedenheit der Kunden.

So lauten dann auch die begeisterten Antworten der Kunden: (Originalzitate kursiv und ohne Korrektur!)

„Alles super klasse, DANKE !!! Das hat mir Spaß gemacht. DANKE !!! Gerne wieder !!! So macht einkaufen Spaß!“

„Hey Leute bin sehr zu Frieden mit dem Buch gute Qualität und sehr schnelle Liverung kann ich nur weiter empfehlen“  -  „Das Buch ist wirklich wie neu, war ein Geschenk für meine Tochter, Sie hat sich wahnsinnig gefreut, hoffentlich hat Sie Spaß damit.“  -  „Das Material ist top. Das Buch sind ein Knaller, kann man gut verschenken und sieht s.gut aus. Kann es nue empfehlen.Weiter so !“  -  „alles super gelaufen , weiter so . . . .“ Vielleicht verwechseln diese Käufer auch eine Rezension mit einer ebay-Bewertung. (Einmal bei Wikipedia kurz "Rezension" eingeben, lesen und verstehen. Das könnte unter Umständen weiterhelfen!) Amazon belässt es gerne bei diesem Irrtum, haben sie doch dieses Mißverständnis mit ihrer großzügigen Übersetzung von Review erst hervorgerufen.

 

Der leidenschaftliche Fan bewertet in seiner Begeisterung für ein Produkt uneingeschränkt positiv aber oftmals inhaltlich äußerst dürftig.

„ein großartiges Buch für diese Zeit. Angenehm geschrieben und für alle, die offen sind, das NEUE zu leben ein sehr schönes Buch "für immer mal wieder lesen".  -  „Sowohl die Lieder als auch die Aufmachung sind heiß. Als Andrea Berg Fan muss man diese CD einfach haben und hören."  -  „Dieses Album ist so Hammer Klasse. Ich würde das jeden weiter geben. Es hat einfach einen geilen Sound. Einfach klasse"

Kritik ist nicht angebracht. Andere Meinungen werden nicht toleriert, wer weniger als vier Sterne verteilt, wird gnadenlos abgestraft (durch Klicks), oder in Kommentaren gedisst. „was laberst du da für einen scheiß?“ - "Du bist ein Frauen-Kompexler!!!!! Deine Rezessionen sind für den A...und.... F....... und Schrott keine Frage!!!!!" oder man untersagt dem Kritiker einfach seine Meinung. „Und wieso kaufst du dir dann solche Musik? Das ist einfach Musik die nicht für jedermann gemacht ist! Wem willst du was beweisen? Dann hör doch Helene Fischer oder irgendeinen anderen Interpreten, der deiner Meinung nach bessere Musik macht. Es zwingt dich doch keiner ein "Bushido" Album zu kaufen. Heino, Helene Fischer usw... kauf sowas und bewerte Musik die besser zu dir passt du debiler Hund!“

In seiner grenzenlosen Leidenschaft vergisst manch ein Fan schon mal, dass es Musikkritiker, DJs etc. gibt, die keinen Cent für ein Album ausgeben müssen, und dass jeder Interessierte sich Dank der neuen Medien (u.a. YouTube) eine fundierte Meinung bilden kann ohne die CD zu kaufen.


Der Provokateur - oder nur ein schlechtgelaunter Zeitgenosse - muss seinen Frust loswerden.

„Ein langweiliger Alltagsfilm, so einen Film hätte man auch selbst zuhause drehen können. Auch das Auto kommt kaum vor. Das Cover und die vielen schmeichelhaften Rezensionen täuschen.“ (Kritik zu dem Film „Gran Torino“)

Im blinden Eifer kann es dann schon einmal vorkommen, dass der Kunde etwas bewertet, was er gar nicht kennt... „Ich hab mir diesen Mist gar nicht angehört. Heino hat jedenfalls mehr Witz als diese Frührentner-Band. Nur die Ärzte sind schlimmer.“ (zu Balast der Republik, Die Toten Hosen)

"Das Buch ist jetzt schon so überflüssig wie ein Kropf ! Schade ums Papier. Ich habs natürlich nicht gelesen. Der kann ja nicht mal in der Talkshow einen Satz korrekt formulieren. Wie soll der denn ein ganzes Buch schreiben?"

„schlimmes buch. ich kanns kaum lesen ich dachte es kommt auf hochdeutsch. Ich habe nichtmal die ersten seiten gelesen .....“ (zu Goethes Faust)

„Das Buch wurde für den Schulischen gebrauch gekauft, es ist schwer zu lesen und uninterissant. Ich kann nicht nachvollziehen, dass derartige Bildung sein muss.“ (zu Lessings: Nathan,der Weise)

Aber vielleicht habe ich diese Kritiken auch nicht richtig verstanden - weil der Ironie-Smiley fehlte! - und sie gehören einer ganz anderen Kategorie an: die

 

der Humoristen. Ihnen widmet das WorldWideWeb die größte Aufmerksamkeit, einfach mal „witzige Amazon Rezensionen“ in einer Suchmaschine eingeben und schon erkennt man, Amazon-Rezensionen muss man nicht immer so ganz ernst nehmen.


Der Überforderte. Manch ein Kunde scheitert auch an der Tücke des Objekts:„Schade das dies Buch nicht vertont wurde. Ich wollte Das Hörbuch für meinen Mann kaufen. Dieser ist sehbehindert und ist auch solche Medien angewiesen.“ Die Konsequenz: das Buch, dass kein Hörbuch ist, erhielt einen Stern.  -  "ich würde es noch mall kaufen wenn ich mall wider so was suche dann kaufe ich lieber das noch mall ich empfehle das wieder" (Kritik zu einer Beatrice Egli CD) Wieso sollte man die gleiche CD nochmals kaufen? (Ein kleiner Tipp von mir: CD's können mehrmals abgespielt werden.) Für diesen Kunden kam mein Tipp allerdingst zu spät:  "Die meisten Lieder gefallen mir gut. Aber es ist auf jeder CD mindestens ein nicht so schöner Song mit dabei."  Warum sollte der Song bei wiederholtem Kauf von der CD verschwinden? (Ja, ja, es ist natürlich anders gemeint. Der Kunde hat mit seiner Kritik mal kurz das Gesamtwerk beurteilt, das nennt man dann effektiv.)


Der Fälscher bzw. bezahlte Betrüger werben im Internet mit einer Art Dienstleistung, die sich "Textservice" oder "Shop-Texte" nennt. Der Kunde (Hersteller eines Produkts) erhält getürkte Bewertungen von imaginären Rezendenten. Kenner der Szene stufen inzwischen 20-30% aller Bewertungen im Internet als einen Fake ein.


Die Top-Rezendenten bilden den krönenden Abschluss, um in diesen erlauchten Kreis zu kommen muss man seinen Beruf aufgegeben oder Hausfrau oder Rentner sein und ca. 1000 „Rezensionen“ bei Amazon einge-stellt haben. Diese selbstlosen "Helden unserer Konsumgesellschaft" werden für ihre Arbeit mit der Mitglied-schaft im Amazon Vine-Club der Produkttester belohnt und erhalten nun kostenlos Ware zur Bewertung. Könnte das vielleicht nachhaltig ihr Urteil beeinflussen? Natürlich nicht, denn diese Koryphäen auf allen Fach-gebieten sind unbestechlich. Sie bewerten Werke von Dante mit der gleichen Souveränität wie etwa Katzen-futter oder einen Mars-Riegel. (Ob sie das Katzenfutter selber kosten, oder sich mit ihrer Katze unterhalten, geht aus ihren Kritiken leider nicht hervor.) Möchte man mit diesen meinungsfreudigen Menschen, die zu allem ihren Senf abgeben müssen, im wirklichen Leben befreundet sein? Wohl eher nicht. Sie haben das "Amazon-5 Sterne-System" so verinnerlicht, dass man befürchten muss, sich selbst kurz nach dem Kennenlernen als ein 1-Sterne-Objekt bei Amazon wiederzufinden.

Z.Blanck © 2016

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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